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MitteilungVeröffentlicht am 18. September 2025

BLS setzt auf Energie aus dem Brienzersee

Die Werkstätte der BLS in Bönigen wird umfassend erweitert und modernisiert. Herzstück der Transformation ist ein ausgeklügeltes Energiekonzept, das weit über Standardlösungen hinausgeht. Mit einem hohen Selbstversorgungsgrad, innovativer Seewassernutzung und modernsten Speicherlösungen setzt die BLS ein starkes Zeichen für Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion.

BLS-Mitarbeiter unternimmt Reparaturarbeiten an einer Lokomotive.

Seen und Flüsse bergen ein enormes, bislang wenig genutztes Potenzial an erneuerbarer Energie. Insbesondere in der Schweiz, wo viele Städte und Industriegebiete in unmittelbarer Nähe zu Gewässern liegen, könnte die Wärme und Kälteextraktion aus Oberflächenwasser einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Die Technik ist erprobt, die Umweltvorteile sind offensichtlich: Weniger fossile Brennstoffe, tiefere CO2-Emissionen und eine Stärkung der lokalen Wirtschaft und des technischen Know-hows. Laut dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs Eawag zählen der Bodensee und der Brienzersee zu den Gewässern mit dem höchsten Potenzial für die thermische Nutzung. Dass diese Energiequelle nun konkret zum Einsatz kommt, zeigt ein Vorzeigeprojekt der BLS: Der Umbau und die energetische Modernisierung der Werkstätte Bönigen, wo künftig der regel- mässige Service sowie die Wartung der Lokomotiven und Züge erfolgt. Mit einem innovativen Energiekonzept, das konsequent auf lokale erneuerbare Energie aus Sonne und Seewasser setzt, wird dort die Zukunft nachhaltiger Bahninfrastruktur greifbar.

Hoher Selbstversorgungsgrad

Die strategischen Ziele der BLS sind ambitioniert: künftig sollen 50 Prozent des Strom- und 85 Prozent des Wärmebedarfs für die Werkstätte Bönigen am Standort selbst produziert werden, und das möglichst CO2-frei. Damit folgt das Unternehmen der Energiestrategie 2050 des Bundes und dem eigenen Netto-Null-Ziel. Um Energie verstärkt lokal und erneuerbar zu gewinnen, erarbeitete die BLS ein Energiekonzept, welches die modernen Technologien wie Photovoltaik, Batteriespeicher, Wärmepumpen und Abwärmenutzung optimal kombiniert. Ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad der Werkstätte steht dabei im Fokus.

Ein zentrales Element des Energiekonzepts ist die Nutzung des Brienzersees als Anergiequelle. «Die Förderung von Grundwasser für Wärmezwecke ist im Projektperimeter verboten. Daher hat sich als nächste Wasserquelle der See angeboten, welcher ein hohes Potenzial für ein Anergienetz aufweist», erklärt Kurt E. Wagner, Gesamtprojektleiter der Sanierung der Werkstätte Bönigen. Fernkälte- und Anergienetze haben besonders in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen, da man aufgrund des wärmeren Klimas zunehmend auch auf Kühlung angewiesen sein wird. Ein Anergienetz ist ein Wärmenetz mit niedrigen Vorlauftemperaturen (–5 bis 25 °C), die nicht direkt zum Heizen ausreichen. In den angeschlossenen Gebäuden übernehmen dafür Wärmepumpen die Temperaturanhebung. Der Vorteil: Durch das geringe Temperaturniveau kann das Netz auch zur Kühlung genutzt werden.

Wärmen und Kühlen aus derselben Quelle

«Rund drei Viertel des prognostizierten Wärmebedarfs der Werkstätte von 3,7 GWh pro Jahr werden künftig direkt aus dem See gewonnen», so Wagner. Möglich machen das drei Seewasser- Wärmepumpen, welche das 30 Meter tiefe, konstant temperierte Seewasser nutzen, um Prozesswärme, Raumheizung und Warmwasser zu erzeugen. Durch die radikale Reduktion des Erdgasverbrauchs können so jährlich 550 Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden. Der restliche Wärmebedarf wird mit Strom – idealerweise aus der eigenen PV-Anlage – gedeckt. Neben der Wärmeerzeugung wird das System auch zur Kühlung genutzt – sei es über die reversiblen Wärmepumpen oder via sogenanntes «Free Cooling», bei dem das Seewasser direkt zur Kühlung verwendet wird. Die Kühlung wird dabei nicht wie bei einer Kältemaschine erzeugt, sondern passiv und umweltfreundlich aus der Umwelt, in diesem Fall aus dem Seewasser, absorbiert und eingesetzt. Damit wird nicht nur Energie gespart, sondern auch die Betriebskosten nachhaltig gesenkt.

Die Seewassernutzung bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich: So musste der Bau der Seewasserleitungen unter Rücksichtnahme auf Laichzeiten und Fischbestände präzise geplant werden. Zudem dürfen mögliche physikalische, chemische und ökologische Auswirkungen nicht ausser Acht gelassen werden. Besonders die Störung der Fischmigration sowie eine erschwerte Durchmischung von unterschiedlich temperiertem Wasser im Winter kann gewisse Ökosysteme belasten und muss aus diesem Grund in der Planung und Umsetzung konsequent abgeklärt und stetig beobachtet werden.

Drei Wärmepumpen nutzen das Seewasser für Raumheizung, Warmwasser usw. Mit dem Seewasser ist auch «Free Cooling» möglich.

Strom vom eigenen Dach intelligent gespeichert

Ergänzt wird das System in Bönigen durch eine grossflächige Photovoltaik- Anlage mit 2500 kWp Leistung sowie einen Batteriespeicher mit 800 kWh Kapazität. Diese Anlage liefert Strom für die gesamte Werkstätte sowie für den Betrieb der Wärmepumpen, Seewasserfassungen und Pumpbauwerk. Der Batteriespeicher ermöglicht es, überschüssigen Solarstrom zwischenzuspeichern und beispielsweise in der Nacht einen Grossteil des Grundverbrauchs zu decken. Ergänzend dazu sorgen thermische Speicher mit insgesamt 96 000 Litern Fassungsvermögen für einen flexiblen Ausgleich von Wärme- und Kältebedarf. Diese Speicher tragen dazu bei, dass Schwankungen im Energieangebot abgefangen werden können. Durch die Produktion von Solarstrom werden durch die BLS weitere 140 Tonnen CO2 jährlich vermieden, im Vergleich zum herkömmlichen Schweizer Strommix.

Übertragbarkeit und Zukunftspotenzial

Für Planung und Umsetzung des Energiekonzepts hat die BLS auf ein Netzwerk von Spezialisten gesetzt, darunter RSZ Planung GmbH, Holinger AG, Fux & Sarbach Engineering AG und Bern Gebäudetechnik AG. Eine weitere interessante Technologie, welche für ein mögliches Erweiterungsprojekt durch die Expertinnen und Experten geprüft wurde, ist die Herstellung von Wasserstoff.

Mit der Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse können grosse Energiemengen gespeichert und die Abwärme dieses Prozesses zur Warmwasseraufbereitung genutzt werden. Bis das geplante Erweiterungsprojekt jedoch umgesetzt werden kann, wird noch einige Zeit vergehen. Trotzdem: Das Projekt in Bönigen hat Vorbildcharakter: Nicht nur für weitere BLS-Standorte, sondern auch für andere Unternehmen mit Zugang zu Seen oder Flüssen. Entscheidend sei jedoch, betont Wagner, «dass jedes Projekt individuell geplant wird, unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten, Umweltauflagen und technischer Machbarkeit». Mit dem neuen Energiekonzept zeigt die BLS, dass moderne Infrastrukturprojekte nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch gedacht werden können. Die Einsparung von jährlich insgesamt rund 690 Tonnen CO2 durch Seewassernutzung und PV-Produktion spricht für sich. Ein Leuchtturmprojekt – mit Strahlkraft weit über die Region hinaus.

Blick auf die Pumpen der Seewasserfassung der BLS-Werkstätte

Dieser Fachartikel ist am 29. August 2025 in der Fachzeitschrift Phase5 erschienen.

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Die BLS engagiert sich seit 2023 bei VEK. Mehr Informationen zu den Zielen und Massnahmen der BLS für Energie und Klima finden Sie im Akteurporträt.

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